Ein bekannter Trauerspruch von Khalil Gibran ist:
Lass mich schlafen,
bedecke nicht meine Brust
mit Weinen und Seufzen,
sprich nicht voll Kummer
von meinem Weggehen,
sondern schließe deine Augen,
und du wirst mich
unter euch sehen,
jetzt und immer.
Auf den ersten Blick wirken diese Zeilen tröstlich. Für manche auch auf den zweiten und dritten... und überhaupt.
Es gibt viele tröstende Sprüche wie diese, die die Botschaft überbringen, dass der Verstorbene doch nicht weg sei. Dass er nur die Räume gewechselt hätte...
Doch gut gemeinte Weisheiten wie diese und viele andere typische Trauerkartengedichtchen können auch zusätzlichen Schmerz beimTrauernden auslösen.
Denn, auch wenn wir die Augen schließen und den Verstorbenen im Herzen bei uns spüren, tut es trotzdem verdammt weh, dass er jetzt in diesem Moment nicht bei uns ist! Dass wir ihn jetzt nicht mit unseren offenen Augen sehen können, eben, weil er TOT ist!
Es darf weh tun!
Es muss sich nicht "gut" oder "richtig" anfühlen. Es darf sich auch einfach einmal beschissen und ungerecht und verdammt schwierig anfühlen!
Und dann darfst du das auch sagen. Und schimpfen, und jammern, und alles heraus schreien und heulen!
Und dann, dann darfst du wieder zur Ruhe kommen. Dich trösten lassen. Und ein Gefühl von Frieden wahrnehmen.
Bis wieder eine Welle kommt und du einfach nur weinen und fluchen und toben möchtest.
Das gehört alles dazu.
Das alles darf sein.
Und es gibt kein vorgegebenes Ende!
Weil, du liebst deinen Menschen im Himmel ja für immer. Da darf auch dieses Gefühl der Trauer für immer da sein.
Denn die ist nix anderes als Liebe.
Und deswegen will ich jetzt an dieser Stelle einmal alle gut gemeinten Trauersprüche gerade rücken und nehme die zitierte - sicher wundervolle Weisheit von Khalil Gibran - als Beispiel:
Und wenn ich auch friedlich schlafe
und es mir dort in meiner Welt gut geht,
so darfst du dennoch mit Weinen und Seufzen
deine Sehnsucht zum Ausdruck bringen.
Denn in deiner Welt fehlt etwas Wichtiges:
Nämlich der irdische Teil von mir!
Sprich ruhig voll Kummer von mir,
von meinem Weggehen,
von deiner Traurigkeit.
Das ist okay, das ist wichtig, das ist menschlich.
Das heilt.
Auch ich vermisse dich.
Doch ich weiß, wir werden uns wiedersehen.
Und wenn du deine Augen schließt,
dann werde ich dein Herz mit Liebe füllen
und versuchen, dir zu zeigen, dass ich immer noch da bin.
Jetzt und immer.
- Sandra Wagner -
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